getextet: Das Haus meiner Großeltern

Als Kind habe ich sehr gerne geschrieben. Damals wollte ich Autorin werden. Den Traum habe ich mir allerdings nie erfüllt. Trotzdem ist er nicht ganz verschwunden.
Ab und zu werdet ihr deshalb nun in der Kategorie getextet Geschriebenes von mir finden. Gerne dürft ihr Kritik abgeben.
Den Anfang macht der nun folgende Text.

Das Haus meiner Großeltern

Meine Großeltern hatten ein großes, altes Haus. Hinten war ein ebenso großer Garten mit einer Obstwiese. Dort standen uralte Apfelbäume. Weiter vorne hatten meine Großeltern Gemüse, Johannisbeeren und Erbeeren angebaut. Am Garten grenze eine Wiese, auf der, seit ich denken kann, ein Pony und ein Esel standen. Jedes Mal, wenn ich in den Garten ging, schaute ich nach den beiden, sprach zu ihnen und zupfte Gras für sie aus.
Meine Oma war die beste Bäckerin und Köchin. Ihr Hefeteig schmeckte immer ganz anders als bei meiner Mutter. Auch ein einfacher Nudelauflauf war bei ihr viel besser.
Im Esszimmer stand ein Schrank. Wenn wir zu meinen Großeltern fuhren, warfen mein Bruder und ich immer als erstes einen Blick hinein. Denn wir wussten, dass meine Oma dort die Süßigkeiten aufbewahrte.
Oma nähte. Sie hatte das gelernt und nähte und strickte für uns. Als Kleinkind strickte sie mir ein Dirndl. Zu Karneval nähte sie mir mein Kostüm. Prinzessin oder Katze. Die von ihr genähten oder gestrickten Sachen hatten immer einen besonderen Geruch. Denn Opa rauchte Zigarre und Pfeife. Der Geruch setzte sich in die Kleider und noch heute kann ich den Geruch noch fast riechen.
Weihnachten saßen wir immer im Wohnzimmer. Das sah aus wie ein Salon in einer Burg. An der Decke hing ein Kronleuchter. Der Schrank an der Wand hatte Verzierungen. Die Sessel waren dick gepolstert. Auf dem Tisch standen selbstgebackene Plätzchen. Denke ich an Weihnachten, habe ich immer dieses Zimmer vor meinem geistigen Auge.
Vom kalten Flur mit dem alten Steinboden führte eine Treppe hinunter in den Keller. Nie war ich drin, denn ich habe mich nicht getraut. Machte man die Türe auf, sah man in ein tiefes schwarzes Loch.
Am Ende des Flures ging eine Treppe hoch in den Garten. Vor der Treppe links lag der alte Kuhstall. Meine Mutter erzählte, dass sie eine Kuh hatten. Sie hieß Minka. Später diente dieser Stall als Abstellraum. Ich fand es dort immer unheimlich.
Wollte man nach oben, musste man die cremefarbene Holztreppe mit den Holzwürmern benutzen. Ich weiß noch, dass oben ein eigener Geruch herrschte. Außerdem fühlte man sich dort noch mehr um Jahrzehnte versetzt, als unten.
Die Erinnerungen an das Haus sind verblasst. Wie hörten sich meine Schritte auf dem Steinboden an? Welche Farben hatten die Möbel? Wie sah es eigentlich im Keller aus?
Zwar steht das Haus noch, aber es hat sich nach dem Verkauf vor einigen Jahren verändert. In meinen Gedanken ist es aber immer noch das Haus meiner Großeltern.