Rezension: Der unsichtbare Garten
Von heute auf morgen nichts mehr sehen können – das ist nur schwer vorstellbar. Vincent, der Protagonist in Karine Lamberts neuem Buch “Der unsichtbare Garten*”, erhält die erschütternde Diagnose: er wird in den nächsten Wochen erblinden.
Von jetzt auf gleich gerät sein ganzes Leben aus den Fugen. Seine Freundin, mit der er gerade zusammen ziehen und eine Familie gründen wollte, verlässt ihn. Seinen Job als Tennislehrer kann er auch an den Nagel hängen. Er verschenkt sein Fahrrad, will niemandem die Wahrheit sagen und zieht sich in das Haus seines vor zwei Jahren verstorbenen Großvaters zurück. Dort beginnt sein Leben so langsam wieder aufzublühen.
Meine Meinung zu “Der unsichtbare Garten”
Klingt nach einem schönen Roman, doch leider fand ich Vincent besonders am Anfang wenig sympathisch. Auf Fragen von anderen reagiert er komisch, was vielleicht auch an der Diagnose liegt, die er erst mal verdauen muss.
“Hier sind die Schlüssel für das Fahrradschloss, ich habe es hinter Ihren Wagen festgemacht, ich schenke es Ihrem Sohn.”
“Warum das denn?”
“Ich wandere nach Kambodscha aus.”
“Der unsichtbare Garten”, S. 37
“(…) Wohnen Sie in der Nähe?”
“Ich arbeite seit sechs Wochen an der Kasse im Schwimmbad”
“Der unsichtbare Garten”, S. 38
Kurz nachdem seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat, fährt er für ein paar Tage in die Berge und schläft dort mit einer Hotelangestellten. Die Unterhaltung vorher ist auch irgendwie merkwürdig.
“Monsieur, wollen Sie heute Abend hier essen? Wir haben gerade nur wenige Gäste, da würde ich gern der Küche Bescheid geben.”
Er kann ihre Gesichtszüge nicht erfassen, sieht nur, wie sich ihre Brüste unter dem dicken Pulli bewegen.
“Ihr Akzent gefällt mir. Sie sind nicht von hier, oder?”
(…)
“Machen Sie Käsefondue für nur eine Person? Achtung, wenn Sie mit Nein antworten, lade ich Sie ein.”
“Ich bin im Dienst, aber wir bereiten das Gericht für eine Person zu.”
(…)
“Ich wohne in Zimmer 12.”
“Der unsichtbare Garten”, S. 57–58
Die nächste Szene beginnt damit, dass sie das Licht ausschalten will, er sie zurückhält, weil er sie sehen will.
Entweder ist er die ersten Kapitel mit Absicht so unsympathisch und erst das Gärtnern und Gemüseanbauen im großväterlichen Garten und das Landleben macht ihn zu einem besseren Menschen. Aber für viele Kapitel kann ich mich einfach nicht mit Vincent anfreunden. Klar, die Diagnose und drohende Erblindung stressen ihn und er ist geschockt. Aber wird man da so umsympathisch?
Die Schreibweise ist eigentlich sogar sehr schön und die Idee hinter der Geschichte ist auch gut. Leider macht das aber Vincents Charakter kaputt. Auch von der Liste, die im Klappentext erwähnt wird und die er abarbeitet, ist nicht wirklich präsent. Es gibt tatsächlich diese Liste in Form von Tagebucheinträgen zwischendurch. Aber diese Liste ist am Anfang des Buches und danach eigentlich nicht mehr relevant.
Das Cover ist übrigens wirklich schön. Der Umschlag ist aus leicht transparentem Papier, sodass die bunte Pflanzenillustration auf dem Hardcover durchleuchtet.
Comments ()