Studium mit ü30: Masterarbeit & berufliche Zukunft
Mein letztes Semester ist zu Ende, die letzte Klausur geschrieben (und bestanden). Vier Online-Semester liegen hinter mir. Noch vor zwei Jahren war mir nicht klar, was passieren würde. Wir alle wurden überrascht.
Rückblick aufs Studium
Ich bereue keine Sekunde meines Studiums, auch wenn ich manches hätte anders machen können – z. B. weniger prokrastinieren. Als über 30-jährige fiel mir es mir nicht schwer, ein Studium zu beginnen. In meinem Leben gab es bisher kaum eine Phase, in der ich nicht in irgendeiner Form gelernt habe. Mein Lebenslauf ist sehr lang, ich habe nach meinem zweiten Klinikaufenthalt Ende 2003 zwei Berufskollegs besucht, naja, vier, wenn man die beiden Berufsschulen mitzählt. Ich habe meinen Realschulabschluss gemacht, die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe, eine schulische Ausbildung versucht, eine “normale” Ausbildung begonnen und wurde in der Probezeit gekündigt. Dabei war die Ausbildung richtig interessant und ich hätte den Beruf sicher auch ausgeübt. Aber nach der Kündigung wollte ich nicht woanders die Ausbildung noch einmal beginnen, zumal es wenig Ausbilungsstätten dafür gibt (oder gab?)
Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte war nie mein Traumberuf. Bis 2010 wusste ich gar nichts von diesem Beruf. Ich habe die Stelle nur per Zufall bekommen. Doch in diesen drei Jahren habe ich viel gelernt und vor allem hat mir die Ausbildung dazu verholfen, einen alten Wunsch aus meiner Kindheit zu erfüllen: das Abitur zu machen.
Das Abitur nachzuholen, war die beste Entscheidung. Ich weiß nicht, was ich studiert hätte, wenn ich 2005, wie geplant, das Abi gemacht hätte. Die RWTH hatte damals noch andere Studiengänge. Es hat sich viel verändert. Ich bin aber sicher, dass ich was ähnliches gewählt hätte. Damals wäre ich aber bestimmt nicht auf die Idee gekommen, einen Studiengang, der Kommunikationswissenschaft und Informatik kombiniert, zu nehmen. So spannend ich Informatik auch finde, das Fach ist nichts für mich. Zum Glück habe ich das nach einem Semester eingesehen und mich für einen Wechsel entschieden.
Ich hatte eine Handvoll von Menschen, mit denen ich während des Bachelors zusammen saß, zwischendurch ins Café ging und mit denen ich mich gut unterhalten konnte. Partys brauchte ich nicht. Dafür war ich zu alt und überhaupt fand ich es komisch, meinen Mann (der zu Beginn des Studiums ja noch mein Freund war) alleine zuhause zu lassen. Der ist nämlich fünf Jahre älter als ich und entsprechend noch mal ein Stück älter als meine Kommiliton:innen.
Naja, und dann kam die Pandemie und seitdem habe ich mit ein paar aus meiner alten Gruppe noch Kontakt, aber zu den meisten nicht mehr.
Notenmäßig gehöre ich eher zum Durchschnitt, aber das ist okay. Mit etwas mehr Anstrengung und weniger Prokrastination hätte ich sicher mehr erreichen können, aber das kann ich jetzt nicht mehr ändern. Hinterher ist man immer schlauer und so.
Fast forward ins Jahr 2022. Letztens wurden mir Thema und Betreuerinnen für meine Masterarbeit zugeteilt. Ich schreibe die Arbeit am gleichen Lehrstuhl, wie vor zwei Jahren meine Bachelorarbeit. Da ich an dem Lehrstuhl arbeite, kenne ich auch die Menschen und Themen dort. Die meisten von ihnen habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, manche neue sind dazu gekommen, die ich nur namentlich kenne oder von Slack-Nachrichten.
Irgendwann im Mai werde ich mit der Masterarbeit beginnen. Das bedeutet, dass ich ungefähr fertig bin, wenn ich 37 werde.
Was kommt danach?
Tja, wenn ich das wüsste. Die Pandemie hat mir gezeigt, dass ich nicht in einem Büro mit anderen Menschen sitzen möchte. Zumindest im Moment kann ich mir das einfach nicht vorstellen. Meine Angst vor einer möglichen Ansteckung ist einfach zu groß.
Was die Pandemie auch mit sich gezogen hat für mich ist, dass ich kein Praktikum gemacht habe. Abgesehen von den zwei Wochen bei meinem Mann im Team.
Das ist bestimmt ein Nachteil, denn ich kann nichts vorweisen, außer meine Hiwi-Tätigkeit und eben meinen Hochschulabschluss. Ich würde gerne noch so viel lernen. Testing finde ich interessant. Das wollte ich in meinem zweiwöchigen Praktikum näher kennenlernen und vielleicht sollte ich da noch mal was machen.
Und was ist mit schreiben? Könnte ich mir vorstellen, beruflich als Texterin zu arbeiten? Die Idee gefällt mir, aber auch hier kann ich nichts vorweisen. Und dazu kommt, dass ich mich nicht traue.
Ich bin fast 37 Jahre alt, habe nie in meinem gelernten Beruf gearbeitet, das Abi nachgeholt und die ersten zwei Jahre neben dem Studium als Aushilfe in der Auszeichnung eines Modehauses gearbeitet. Kleidung ausgepackt, gefaltet, aufgebügelt, ausgezeichnet, gesichert. Ich arbeite als Hiwi an einem Lehrstuhl, wo ich Literaturrecherchen mache, Interviews in MaxQDA transkribiere, Fragebögen mit Qualtrics erstelle, Pretests von Fragebögen durchführe, … Ich kann theoretisch R, weiß, wie man Nutzertests macht. Ich habe Englisch- und Schreibkurse besucht, in meiner Freizeit versuche ich, Swift zu lernen. Ich schreibe gerne, aber habe das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Ich kann stricken, häkeln, nähen, malen, bin also irgendwie kreativ.
Wie hilft mir all das bei der Berufswahl? Wer stellt eine Ende 30-jährige (noch) kinderlose Frau ein mit kaum Erfahrungen, wenn es auch die Mitt-20er Kandidatin gibt, die schon so viele Praktika gemacht hat und noch jung?
Vielleicht bin ich etwas frustriert im Moment und weiß nicht so recht, was ich machen soll. Tat aber gut, das mal aufzuschreiben.
Comments ()