#verenastudiert: Erkenntnisse während einer Pandemie
Kennt ihr diese Videos auf Youtube, in denen Anfang 20-jährige Studierende erklären, wie sie ihr Studium bzw. ihr ganzes Leben organisieren, strukturieren? Sie filmen sich live beim Lernen, zeigen ihren Alltag und erklären, wie sie es schaffen, früh aufzustehen. Sie zeigen ihr (natürlich ästhetisch ansprechendes) Bullet Journal, teilen ihre Tipps, wie auch andere ein solches organisiertes Leben führen können. Alles strahlt Positivität aus, ihr Leben ist komplett durchgeplant, ihre Wohnung bzw. ihr Zimmer scheint einem IKEA-Katalog entsprungen zu sein. Ihre Notizen, ob auf einem ganz normalen Papier oder auf ihrem iPad geschrieben, sind perfekt, die Handschrift ordentlich und sauber. Alles sieht einfach nur perfekt aus! Das will ich auch schaffen, denkt man sich beim Schauen der Videos. Wie gut, dass diese Youtuber*innen zeigen, wie es geht.
Zurück in die Realität. Punkt acht Uhr werde ich von lautem Vogelgezwitscher geweckt. Der Gesang ist nicht echt, sondern kommt aus meinem Handy. Ich habe ihn als Weckton gewählt, weil ich Vogelgesang mag. Schlaftrunken schäle ich mich aus dem Bett und wanke in Richtung Handy. Es liegt mit Absicht nicht neben meinem Bett. Ich schalte den Wecker aus und wanke wieder zum Bett. Nur noch ein paar Minuten …
Irgendwann zwischen acht und neun Uhr stehe ich dann doch auf. Doch das mit der Produktivität klappt noch nicht so “früh” am Morgen. Ich frühstücke mit meinem Mann, lese die Tageszeitung und überfliege nur die Nachrichten zu Corona. Mein Vorhaben, täglich von zehn bis zwölf zu arbeiten, ist stark davon abhängig, ob es was für mich zu tun gibt und wie motiviert ich bin. Meistens klappt das, aber es gibt auch Tage, an denen einfach nichts geht. Nach zehn Monaten der bewussten Selbstisolation habe ich vielleicht nur eine kleine Routine gefunden. Manchmal möchte ich aber auch einfach nur auf der Couch sitzen und den Gartenvögeln an der Futtersäule zuschauen oder auf “unser” Eichhörnchen warten.
Vorlesungen und Seminare habe ich nicht viele, aber es ist auf jeden Fall gut, wenigstens ein paar Termine im Kalender zu haben. Ich sitze dann im Esszimmer vor meinem Laptop, trage die Kopfhörer, die beim iPhone dabei waren und versuche, mich nicht durch das Internet ablenken zu lassen. Mein Handy habe ich nie neben mir liegen, aber das heißt nicht, dass ich nicht dennoch Instagram aufrufen kann.
Von meinem Platz aus kann ich den Garten überblicken. Manchmal huscht das Eichhörnchen über die Terrasse und dort findet es auch die eine oder andere Nuss, die ich versteckt habe. Oder eine Amsel pickt Würmer auf und schmeißt mit Laub um sich. Ich finde es beruhigend, in den Garten zu schauen.
Meine Notizen, die ich während den Veranstaltungen mache oder bei der Nach- und Vorbereitung sehen alles andere als ordentlich und ästhetisch auf. Dafür habe ich keine Zeit. All diese Produktivitätstipps diverser Menschen auf Youtube, Instagram oder Pinterest empfinde ich als Schwachsinn. Warum sollte ich ordentliche Notizen machen oder sie noch farblich oder gar kalligrafisch verschönern? Soll das die Produktivität steigern? Für mich ist sowas eher Prokrastination, wenn man mehr Wert auf ein besonders ästhetisches Aussehen der Notizen (die ja eh sonst niemand zu Gesicht bekommt) legt als auf den Inhalt. Ich kann nicht zuhören und gleichzeitig ein Kunstwerk aus meinen Notizen machen.
Es muss auch nicht das ganze Haus perfekt aussehen. Nichts muss perfekt sein. Man muss auch nicht schon um fünf Uhr morgens aufstehen, wenn man bis neun schlafen kann. Klar kann es sein, dass man dann mehr vom Tag hat. Aber muss man theoretisch nicht auch früher ins Bett, wenn man um fünf aufstehen will? Bringt also nix.
Ich schaffe mir meine Produktivität durch Pausen, mache täglich Yoga, gehe spazieren (am liebsten mit einem Podcast auf den Ohren) oder setze mich bewusst mal ein paar Minuten zum Lesen hin. Produktivitätstipps mögen gut für Klicks und Views sein. Aber ich glaube nicht, dass instagrammable Notizen, schöne Fingernägel und niedliche Gadgets für das iPad die Produktivität steigern.
In den letzten Monaten habe ich für mich festgestellt:
- wenn mein Körper nicht um acht Uhr aufstehen will, dann heißt das, dass ich noch etwas Pause brauche
- Notizen müssen nicht schön aussehen, sondern verständlich sein
- Spaziergänge machen den Kopf frei (auch im Regen)
- einfach mal Tränen laufen lassen tut richtig gut
- es ist vollkommen okay, wütend auf die Menschheit zu sein
- Digitale Uni ist anstrengend, vor allem wegen der Kopfhörer
- Gruppenarbeit kann auch Spaß machen und richtig gut klappen
- Tiere im Garten beobachten wirkt beruhigend und bringt mich zum Lachen
Und was sind eure Erkenntnisse der letzten Monate? Wie handhabt ihr die Situation? Könnt ihr von zuhause aus arbeiten? Habt ihr eine Art Routine?
P.S.: Das Beitragsbild habe ich gerade auf die Schnelle gemalt. Das bin nicht unbedingt ich, aber ein bisschen vielleicht. Und noch was: ich wollte ja noch eine Rezension zu einem Buch, was ich abgebrochen habe schreiben. Aber mir fehlt im Moment einfach die Lust am Bloggen.
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