Story A Day: Tag 2 und 3 – ein bisschen Krimi und Mystery

Story A Day: Tag 2 und 3 – ein bisschen Krimi und Mystery

Heute habe ich direkt zwei Kurzgeschichten für euch. Allerdings möchte ich direkt vorweg eine Triggerwarnung aussprechen, denn in der ersten Geschichte wird es etwas blutig und in der zweiten kommt ein sexueller Übergriff vor (der jedoch durch die Heldin abgewehrt werden kann).

Was Story A Day ist und meine Kurzgeschichte zum ersten Tag findet ihr in meinem entsprechenden Artikel. Genauere Informationen, die Writing Prompts und mehr gibt’s auf Story A Day.

Heimkommen (Arbeitstitel)

Der Tag war wie jeder andere. Mari kam spät von der Arbeit. Erschöpft drängte sie sich aus der U-Bahn und machte sich, gemeinsam mit hundert anderen Menschen, auf dem Weg nach oben. Es war bereits dunkel, die Stadt jedoch leuchtete hell auf, als Mari die Straße erreicht hatte. Autos hupten, Touristen liefen lachend und ohne auf andere achtend über die überfüllten Gehwege. Leuchtreklame blinkte von den Hochhäusern, die Mari umgaben, wie ein Schutzmantel oder eine Mauer, aus der sie nicht ausbrechen konnte. Je nachdem, wie gerade ihre Verfassung war, änderte sich das Gefühl, das ihr die meterhoch in den Himmel ragenden Stahl- und Betonklötze gaben. Überall blinkte Werbung auf, es war laut, Straßenverkäufer boten ihre Ware an. 

Eilig lief sie weiter die Straße entlang. Das Rauschen der Autos drängte an ihr Ohr, bis es unerträglich wurde. 

„Nur noch 200 Meter,“ murmelte sie, während sie Bettler hinter sich ließ, Touristen überholte und kleinen Hunden auswiech. Ihr Hund wartete bestimmt schon sehnsüchtig auf sie. Sie konnte sein Kratzen an der Tür schon hören. Irgendwie spürte Ryo, wenn sie aus dem Aufzug trat und den Flur in Richtung der winzigen Wohnung ging. Bei niemandem sonst reagierte er so. 

Mari bog in eine ruhigere Seitenstraße ein und drückte die Tür eines großen Apartmenthauses auf. Es roch nach Essen, woraufhin sich ihr Magen meldete. Sie hatte seit Stunden nichts mehr gegessen. 

Der Aufzug brachte sie schnell in den 15. Stock. Ein leises „Ping!“ signalisierte, dass sie ihre Etage erreicht hatte. Leise glitt die Metalltür auf und Mari trat in den Flur. Sofort sprang die grelle Deckenbeleuchtung an. 

Etwas war anders. Unschlüssig blieb Mari stehen. Statt Hunger machte sich nun ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend breit. Kein Kratzen an der Tür, kein Bellen. Die einzigen Geräusche, die gedämpft zu Mari durchdrangen, waren Stimmen aus den anderen Wohnungen, ab und an ertönte ein Lachen. Ein Baby schrie. 

Langsam und mit klopfendem Herzen bog sie um die Ecke und auf ging auf ihre Wohnungstür zu. Etwa zwei Meter von der Tür entfernt, blieb sie stehen. Die Tür war einen Spalt offen. Kein Hund war zu hören, nur das Surren der Klimaanlage und die üblichen Geräusche aus den Nachbarwohnungen. 

Mittlerweile hatte Mari das Gefühl, ihr Herz würde jeden Moment aus ihrer Brust springen und gegen die weiße Tür klatschen. Den Atem anhaltend, trat sie einen weiteren Schritt nach vorne und strecke die Hand aus, um die Tür aufzustoßen. 

Plötzlich ertönte ein leises Wimmern. 

„Ryo,“ entfuhr es Mari. Sofort vergaß sie die mögliche Gefahr, die in ihrer Wohnung auf sie lauern konnte und griff nach dem Lichtschalter links neben der Tür. Sofort wurde es hell in der Wohnung und das Chaos um sie herum sichtbar.

Die weißen Wände und Möbel waren mit Blutspritzern übersäht. Ryo lag auf dem Boden. Sein graues Fell war blutverschmiert. Als er Mari sah, stand er auf und trottete schwanzwedelnd auf sie zu. Mari sah, dass seine Zähne rot waren. Blut hing um sein Maul. Wessen Blut war das?

„Ryo, was ist passiert?“ Eilig beugte sich Mari zu ihrem Hund und tastete ihn ab. Sie konnte keine Wunden fühlen. 

Als hätte Ryo sie verstanden, wandte sich der Hund von ihr ab und schaute in eine Ecke. Mari richtete sich auf und erst jetzt sah sie die beiden Männer, die mit zerfetzter Kleidung und blutüberströmt vor ihrem Schreibtisch lagen. Sie regten sich nicht. 

Ungläubig starrte Mari die Fremden an. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und würgte. Ryo stupste sie an. 

„Hast du …?“ Mehr brachte Mari nicht heraus. Sie rannte ins Bad und übergab sich über der Toilette. Ryo war ihr gefolgt und wartete, bis sein Frauchen fertig war. 

Nachdem Mari sich den Mund ausgespült und das Gesicht und die Hände gewaschen hatte, trat sie mit ihrem Hund wieder in die Wohnung zurück. Alles sah noch genauso aus, wie ein paar Minuten zuvor. 

Die Schubladen ihres Schreibtisches waren herausgerissen und ihr Laptop lag zersplittert auf dem Wohnzimmertisch. Die Männer hatten etwas gesucht. Sie wusste auch was. 

„Wir müssen von hier verschwinden, Ryo,“ erklärte Mari. Sie riss eine Reisetasche aus dem Schrank, warf Kleidungsstücke hinein und steckte ihren Ausweis in den Aktenvernichter. Ratternd zermalmte die Maschine die Plastikkarte. Ryo schaute zu, wie Mari sämtliche Sachen einsammelte und in die Tasche stopfte. Dann zog sie den Hund ins Bad, um ihn von dem Blut, was immer noch an ihm klebte zu befreien. Er versuchte wegzulaufen, doch Mari hielt ihn fest. 

Bevor sie die Wohnung verließen, steckte Mari noch den kaputten Laptop ein und warf den Wohnungsschlüssel in den Mülleimer. 

Leise fiel die weiße Tür ins Schloss und Mari ging, so unauffällig wie möglich, zum Aufzug. Als sich die Aufzugtür öffnete, traten zwei kichernd Nachbarinnen heraus. Sie begrüßten Mari freundlich und verschwanden dann in einer der Türen. 

Nacht war hereingebrochen, doch auf den Straßen herrschte immer noch hektisches Treiben. Mari zog sich die Kapuze ihres Pullovers über und mischte sich, gemeinsam mit ihrem Hund, unter die Menschen. 

Rotkäppchen (Neuinterpretation)

Ginger hasste es, im Dunkeln das Haus zu verlassen. Aber ihr Großvater, bei dem sie lebte, brauchte noch dringend ein Medikament aus der Apotheke. Eben war der Arzt da gewesen und hatte ein Rezept ausgestellt.

Sie zog sich eilig ihre rote Mütze, die sie selbst gestrickt hatte, über den kopf, um sich gegen die Kälte zu schützen. Zwar war es gerade mal achtzehn Uhr, aber schon stockfinster. Nur die Straßenlaternen boten etwas Licht. Warum musste ihr Großvater auch mitten im Wald wohnen? Gut, dass der nächste Ort nur etwa eine Viertelstunde Fußweg entfernt war. Dort gab es zum Glück auch noch eine Apotheke, die an diesem Abend sogar bis zwanzig Uhr offen hatte. 

Mit den Händen in den Taschen ihres Wollmantels stapfte Ginger durch den Schnee, der sich innerhalb weniger Stunden auf der Erde verteilt hatte und nun wie eine wärmende Decke auf ihr lag. Leider war diese Decke nicht warm, sondern kalt und Ginger fror in ihren kaputten Stiefeln. Das Gefühl von kalter Nässe zog in ihre Zehen und machte sich in ihren Füßen breit. Sie musste schneller gehen, um sich aufzuwärmen. 

Froh, die Apotheke erreicht zu haben, betrat sie den hell erleuchteten Raum und trat an den Handverkauf. Die Apothekenmitarbeiterin, eine Apothekerin oder PTA – Ginger wusste es nicht genau –, lächelte ihr freundlich zu und nahm das Rezept entgegen, das Ginger ihr mit kalten Fingern entgegenstreckte.

„Ohja, Sie frieren ja. Das Wetter ist wirklich nicht angenehm. Wir haben gerade Handwärmer für unsere Kunden. Hier, nehmen Sie sich direkt zwei Stück.“ Die Frau hielt ihr zwei kleine runde Plastikkissen hin, in denen eine dicke Flüssigkeit und ein Metallstreifen zu erkennen waren. 

„Danke,“ murmelte Ginger mit klappernden Zähnen.

Mit dem Medikament in einem Beutelchen und den Handwärmern in den Jackentaschen machte sich Ginger auf den Heimweg. Im Ort waren nur wenige Menschen unterwegs und Ginger spürte ein mulmiges Gefühl aufkeimen, als sie die letzten schützenden Häuser hinter sich ließ und den Waldweg betrat. Es war, als hätten die Tannen um sie herum Augen. Sie fühlte sich beobachtet und rannte fast, um schneller zuhause zu sein. 

Es war dunkel im Wald, doch sie konnte die Straßenlaternen schon erkennen, die die Straße zum Haus ihres Großvaters säumten. Sie kannte den Weg im Schlaf und hatte daher keine Probleme, sich zurechtzufinden. Dennoch war ihr nicht wohl, als sie durch den Wald lief. 

Ängstlich schaute sie sich nach allen Seiten um, doch sie konnte nichts erkennen. Der Wald war still. So still, wie ein Wald an einem Winterabend im Schnee nur sein kann. Alle Geräusche wurden gedämpft und auch ihre Schritte waren kaum hörbar. 

Plötzlich versperrte ihr ein Schatten den Weg. Ein Mann stand dort, sie konnte aber nur seine Umrisse erkennen. Es war ein stämmiger Mann mit breiten Schultern. 

„Hallo, Schönheit,“ raunte er. Breitbeinig stand er mitten auf dem Weg. Es war kaum Platz, ihm auszuweichen. 

Mit klopfendem Herzen blieb Ginger stehen. Was sollte sie tun? Sie hatte nichts dabei, um sich zu wehren, sollte der Mann sie anfassen. 

„Was machst du denn um diese Zeit hier? Es ist doch viel zu gefährlich hier für junge Frauen,“ sagte der Mann. Er klang alles andere als besorgt um ihre Sicherheit. Ginger stopfte die Tüte mit dem Medikament in die Tasche, damit sie die Hände frei hatte. Das Medikament war wichtig, sie durfte es nicht verlieren. 

„Lassen Sie mich durch,“ sagte sie mit überraschend fester Stimme. 

Der Mann lachte leise auf. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich einfach so vorbei lasse, Süße, oder?“ Er kam auf sie zu und wollte sie packen. Ginger nahm all ihren Mut und ihre Kräfte zusammen. Als der Mann nach ihren Brüsten greifen wollte, rammte sie ihr Knie zwischen seine Beine. Damit hatte er nicht gerechnet und jaulend ging er zu Boden. 

„Du elendes Biest,“ stieß er vor Schmerzen keuchend hervor. Ginger nutzte die Gelegenheit und rannte auf das Licht am Ende des Weges zu. Sie blickte nicht nach hinten, um zu sehen, ob der Mann sich aufgerappelt hatte und ihr folgte. Sie schaute nur nach vorne, das Ziel vor Augen. Adrenalin schoß durch ihr Blut und trieb sie voran. Das Haus tauchte in ihrem Sichtfeld auf. Nur noch ein paar Schritte und sie war in Sicherheit.