Wie ich dazu kam, meine Kleidung selber zu nähen
Von 2016 bis 2018 habe ich einen Minijob bei einem relativ teuren Modegeschäft gehabt und dort geholfen, Kleidung mit Preisschildern zu versehen, Sicherungen anzubringen und zu falten. Das Geschäft war mir schon lange vertraut, denn meine Mutter ist dort schon lange Kundin.
Und da ich einen kleinen Job brauchte, nachdem ich mein Abitur nachgeholt hatte, habe ich mich bei dem Geschäft beworben. Im Verkauf wollte ich nicht arbeiten, daher war es gut, dass die einen Job in der Auszeichnung anboten, wo ich nichts mit Kund:innen zu tun hatte.
Bis dahin habe ich regelmäßig Kleidung gekauft. Nicht bei H&M, Primark und Ähnlichen Läden. Ich war Stammkundin bei Esprit. Die Kleidung ist schön, nicht zu billig, aber auch nicht überteuert (meiner Meinung nach) und hält lange. Doch natürlich konnte ich gar nicht all das anziehen, was ich besaß. Trotzdem kaufte ich weiter. Mit meinem Mitarbeiterinnenrabatt wanderte auch das eine oder andere Teil von dort in meinen Kleiderschrank. Doch mein Minijob hat mir meine Augen geöffnet.
Teuer = gut?
Ich begann zu hinterfragen, ob teure Kleidung auch gut ist, im Sinne von qualitativ gut. Werden die Menschen, die die Kleidung herstellen, gut behandelt und belohnt? Und was passiert mit den Sachen, die im Geschäft nicht verkauft werden? Was machen die Hersteller oder Großhändler mit den Rücksendungen?
Nur weil ein Teil einen dreistelligen Preis hat und einen Markennamen trägt, ist es nicht direkt hochwertig. Statt nachhaltige Materialien zu verwenden, bestanden viele Teile aus Plastik. Die Sachen waren einfach nur überteuertes Plastik.
Keine neue Kleidung mehr für mich
Durch den Minijob verlor ich schließlich die Lust aufs Kleidung kaufen. Generell mag ich Bekleidungsgeschäfte nicht besonders, weil in den meisten schlechte Luft herrscht. Meine Migräne mag diese Luft. Dass ich nun nichts mehr kaufen wollte, war eher ein schleichender Prozess. Ich habe nicht gesagt: "So, ab jetzt kaufe ich keine Kleidung mehr!" Es war eher so, dass mir die Lust vergangen ist. Und als dann die Pandemie kam, habe ich sehr lange Geschäfte vermieden und höchstens online bestellt. Dann allerdings nachhaltige und unter fairen Bedingungen hergestellte Kleidung.
Im Sommer 2021 begann ich dann, mein erstes Kleidungsstück zu nähen. Eine Maschine hatte ich schon seit 2009, weil es die für 150 € bei Tchibo gab (die Maschine habe ich aber nicht mehr, weil sie mir letzten Herbst kaputt gegangen ist). Allerdings habe ich bis 2020 kaum was genäht. Die Masken waren dann der Auslöser fürs Nähen.
Mittlerweile habe ich schon einige Stücke genäht. Nicht alle sind perfekt, aber auf ein oder zwei Teile bin ich schon stolz. Das Nähen hat nun die Frage in mir aufgeworfen, wie nachhaltig selber nähen überhaupt ist. Ich ertappe mich nämlich sehr oft dabei, wie ich Schnittmuster suche und überlege, ob ich nicht dieses oder jenes auch noch nähen könnte. Dank Pinterest und Näh-Youtuberinnen finde ich täglich jede Menge Inspiration.
Nähen und Nachhaltigkeit
Das schöne am Nähen ist, dass man die Materialien selber aussucht und auch selber näht. Die Arbeit wird also nicht von armen Menschen in schlecht belüfteten Fabriken in Asien gemacht, sondern von mir selber zu Hause. Niemand steht hinter mir und sagt mir, dass ich noch X Teile nähen muss oder dass ich keine Pause machen darf und und und.
Bei der Auswahl der Stoffe kann ich auf Zertifikate achten, darauf, ob sie bio sind. Theoretisch kann ich auch aus alter Kleidung etwas Neues zaubern, aus Bettwäsche ein Kleid nähen oder Stoffreste nutzen. Beim Nähen kann man kreativ werden und muss sich nicht an irgendwelche Trends halten.
Kleidung nähen braucht Zeit. Das Schnittmuster muss unter Umständen ausgedruckt und zusammengeklebt werden, es muss auf den Stoff übertragen werden. Oft dauert es viele Stunden, bis etwas endlich fertig ist. Es kann also nicht direkt getragen werden, so wie ein gekauftes Kleidungsstück. Meine Theorie ist, dass wir weniger Kleidung wegschmeißen, wenn sie selber genäht ist. Und vielleicht besitzen wir auch weniger, wenn wir einfach alles selber nähen. Schließlich braucht es Zeit, bis etwas fertig ist. Es sei denn, man ist nicht berufstätig oder lebt vom Nähen, in dem man vielleicht Youtube-Videos macht übers Nähen. Dann ist das allerdings ja auch wieder ein Job ...
Aber ich glaube auch, dass Nähen auch wieder zum Überfluss an Kleidung führen kann. Ich hab es eben ja schon angesprochen: Das Internet ist voller Ideen und Schnittmuster. Brauche ich wirklich das Schnittmuster? Habe ich nicht schon etwas Ähnliches genäht? Wie viele Oberteile brauche ich? Zu welchem Anlass soll ich das Kleid überhaupt anziehen? Das Thema hat aber auch einen eigenen Artikel verdient.
Fazit
Wenn man mit diesen Fragen rangeht und sich wirklich überlegt, ob man das fünfte T-Shirt braucht oder dieses tolle Kleid, wäre das nicht etwas für die Hochzeit von XY? Statt etwas, was vielleicht nicht gelungen ist oder doch nicht gut an einem aussieht, wegzuwerfen, wie wäre es mit spenden, reparieren oder verbessern? Dann kann man nachhaltig nähen.
Ich habe letztes Jahr zwei Wickelkleider genäht. Auf den Fotos zur Ableitung sahen sie schön aus. Als ich sie schließlich genäht und getragen habe dann nicht mehr. Ich müsste diese beiden Kleider noch mal rausholen und mir überlegen, ob ich nicht jeweils ein Oberteil und einen Rock daraus mache. Oder etwas ganz anderes?!
Und mein Tipp für Stoffreste: als Füllmaterial oder für Patchwork verwenden.
Ich plane, noch einen weiteren Artikel zum Thema nähen zu schreiben und dabei genauer auf die Nachhaltigkeit einzugehen.
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