Rezension: Ohne Netz von Alex Rühle

Vor zehn Jahren wäre sicher noch keiner auf die Idee gekommen, einfach mal ein halbes Jahr offline zu gehen. Sein Smartphone wegschließen zu lassen, alles, was mit dem Internet zu tun hat, vom PC zu verbannen.
Das Internet hat uns abhängig gemacht. Alles können wir mittels Internet machen. E-Shopping, OnlineBanking, googlen. Ständig haben wir dank immer neuer Technik die Möglichkeit, mal eben schnell im Internet etwas nachzuschlagen. Egal, wo wir sind. Wir können nicht darauf verzichten.
Der SZ-Redakteur Alex Rühle hat es gewagt und ist ein halbes Jahr offline gewesen. Er hat in der analogen Zeit gelebt. Ohne Internetzugang im Büro und an seinem PC zu Hause. Ohne seinen geliebten Blackberry.

In seinem Beruf ist es verständlicherweise schwierig geworden, alles offline zu erledigen. Aber Alex Rühle hat es geschafft. Er hat sich durch die Stadt gebahnt, um Telefonzellen und Briefkästen zu finden, hat zum Recherchieren nicht mehr Google benutzt, sondern Bibliotheken und Lexika. Statt eine Adresse im Internet zu suchen, hat er bei der Auskunft angerufen, was sich allerdings als etwas schwierig erwies.
Außerdem hat er sich viel mit dem Thema Sucht auseinander gesetzt. Insbesondere natürlich mit der Internet-Sucht. Zum Beispiel führt er einen Fall eines WoW-Süchtigen auf. Er berichtet von früheren technischen Fortschritten (Eisenbahn, Telefon mit Wählscheibe) und was die Leute damals darüber dachten und sagten.
Während des Experiments hat er einen Mann besucht, der gezwungenermaßen auf das Internet verzichten muss: er sitzt im Gefängnis. Mit ihm spricht er über das Leben hinter Gittern.
Auch schreibt er Schulen an, da er wissen möchte, inwieweit das Internet und die Handys die Konzentration der Schüler beeinträchtigen. Daraufhin erhält er viele Briefe und Meinungen. Er besucht zudem eine Klasse und spricht mit den Jugendlichen über diese besondere Fastenzeit.
Das Buch gibt einen Einblick in das Leben eines Zeitungsredakteurs, der seine Arbeit freiwillig ohne die Unterstützung des Internet tätigt. Aufgebaut ist das Buch wie ein Tagebuch. Fast jeden Tag hat Rühle Tagebuch geführt und sich Notizen gemacht. Er hat sich viele Gedanken gemacht, Beobachtungen bei sich notiert. Das abendliche checken von Mails, das im Internet festsitzen, obwohl man nur mal eben was nachsehen wollte. Manche Beobachtungen kommen dem einen oder anderen sicher bekannt vor.
Ein gelungenes und auch humorvolles Buch, welches ich euch nur empfehlen kann.

Vielen Dank an den Verlag Klett-Cotta für das Rezensionsexemplar.